Wie schwul war Johann Wolfgang von Goethe? Und wie sieht es mit seinen Zeitgenossen aus? Inspiriert von Robert Tobins Buch Warm Brothers. Queer Theory and the Age of Goethe (2000) geht Rosa von Praunheim in Spiel- und Dokumentarszenen diesen und anderen Fragen nach. Dabei wird keine dogmatische Umdeutung vorgenommen, als vielmehr ein neuer Raum von Denkmöglichkeiten eröffnet.
In dieser übermütig und unbekümmert assoziierenden Arbeit skizziert Rosa von Praunheim entlang von Zeitgenossen wie Wilhelm und Alexander von Humboldt, Kleist oder Winckelmann fiebrige Brieffreundschaften, fabuliert in nachgestellten Sequenzen mit Darstellern Intimitäten herbei und delektiert sich in Interviews mit Experten an historischen Spekulationen.
Letztlich zielt von Praunheim aber, wie in all seinen Filmen ganz unmittelbar auf die Gegenwart. Das wird besonders anhand der Perspektivierung eines wüsten intellektuell-ästhetischen Schlagabtauschs aus dem 19. Jahrhundert deutlich: Wie Heinrich Heine einst August von Platen öffentlich der Männerliebe bezichtigte, ist bis heute im Gedächtnis geblieben – und nicht minder Platens massiv anti-semitisch geprägte Ausfälle gegen Heine zu einer Zeit, da öffentliche Äußerungen von Judenhass zunehmend an Akzeptanz gewannen. Von Praunheim sieht den ausgemachten Kriegsschauplatz – Homophobie vs. Antisemitismus – als eine Angelegenheit, die bis heute von zivilgesellschaftlicher Relevanz ist.
Wer auch nur ein klein wenig mit Rosa von Praunheims Werk vertraut ist, weiß, dass der Filmemacher es liebt zu provozieren. Auch wenn hier keine fundamentale Umdeutung aller bisherigen kulturhistorischen Erkenntnisse vorgenommen wird – ein klein bisschen verrücken will dieser Film dann doch den Blick auf die großen Dichter der deutschen Lyrik wie Goethe und Schiller und ihre Zeit. Von Praunheim zeigt auf, dass das Gedankenspiel zur Homoerotik im 18. Jahrhundert durchaus seine Berechtigung und Gegenwartsrelevanz hat.
Man darf davon ausgehen, dass Goethe über diesen schwulen Bilderreigen vergnügt geschmunzelt hätte. (Welt am Sonntag)
Weimar queer zu machen – das ist für ihn (Rosa von Praunheim) keine Frage historischer Akkuratesse, sondern eine Frage der Travestie, und eine spielerische Hypothese – was äußerst vergnüglich ist.” (Süddeutsche Zeitung)